Ich will mein Sternenkind nicht loslassen

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Loslassen und Abschiednehmen – veraltet?
Es ist noch nicht lange her, dass es in der Trauerarbeit ein Dogma des Loslassens gab: So wurde durch Rituale und therapeutische Gespräche alles daran gesetzt, dass der geliebte Mensch, das geliebte Kind losgelassen werden kann. Wollte ein Trauernder den Verstorbenen nicht loslassen, dann war er wohl nicht so weit. Doch ich frage mich, was mit Loslassen gemeint ist, was durch das Abschiednehmen bezweckt werden soll? Für mich und für die Menschen, mit denen ich über einen nahen und schmerzlichen Verlust sprach, bedeutete das Loslassen des Verstorbenen, ein zweiter schmerzvoller Verlust. Den Menschen, das eigene Kind verabschieden und gehen lassen, bedeutete, das Kind ein zweites Mal gehen zu lassen – das zweite Mal sterben zu lassen. Ein Prozess, der so schmerzlich und sogar als traumatisierend erlebt werden kann. Aus meiner eigenen Geschichte möchte ich Dir sagen: Ich habe mich lange dagegen gewährt, mein Kind gehen zu lassen. Ich habe mich unverstanden gefühlt und war wütend, wenn ich das Gefühl hatte, dass ich das tun sollte. Und erst als ich verstanden habe, dass es nicht um Loslassen geht, konnte ich mein Kind wieder in Liebe zu mir nehmen, mein Kind bei mir in Liebe bewahren, in der Liebe Halt finden und heilen. Ich möchte mit Dir in diesem Beitrag Gedanken teilen, die es vielleicht auch Dir ermöglichen, eine neue Beziehung zu Deinem Kind zu leben. Du brauchst Dein Kind nicht loslassen, es ist nicht nötig es abzuweisen, sondern vielmehr wünsche ich Dir, dass Du einen Weg findest, die Liebe und Beziehung zu Deinem Sternenkind leben zu können.
Um ein Kind zu trauern, ist viel mehr als Abschiednehmen
Trauer ist mehr als Abschiednehmen und Loslassen. Und ich möchte Dir näher erläutern, was ich damit meine. Der Ansatz geht auf den Psychologen Roland Kachler zurück. Roland hat selbst einen schmerzlichen Verlust erlitten, als sein Kind gestorben ist. Er schrieb das bewegende Buch „Meine Trauer wird Dich finden“ nach dem Tod seines Sohnes. Ein Buch, das vielen Menschen geholfen hat, und immer mehr auch in professionellen Kreisen, bei Trauerbegleitern und Psychologen Anerkennung findet. Es war und ist auch heute noch ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit, in der bis heute von Phasen der Trauer und dem Prozess des Abschiednehmens gesprochen wird. Roland wirbt in seinem Buch für einen neuen Umgang mit Trauer. Ein Ansatz, der mir persönlich sehr geholfen hat.
Ich will mein Sternenkind nicht loslassen
Ich weiß, dass die Liebe zu Deinem Kind so unendlich groß ist. Manchmal, so wird es Dir scheinen, als könnte das Leben nicht weitergehen, als würde es für Dich keinen Sinn im Leben geben. Manchmal wirst Du Dir vielleicht sogar wünschen, Dich zu Deinem Kind zu legen. Ich erinnere mich noch gut an eine Frau, die mir sagte, »es ist die natürliche Bewegung einer Mutter, sich dem Kind zuzuwenden, sich zu dem Kind zu legen«. Das leuchtete mir sofort ein, denn genau so fühlte ich mich. Doch was ist, wenn Du wie ich Mutter eines Sternenkindes bist und Dein Kind nicht so bei Dir ist, dass Du Dich zu ihm legen kannst? Vielleicht spürst Du auch, dass Du nicht Abschied nehmen willst, dass sich in Dir alles dagegen sperrt und verschließt, wenn Dir jemand gut gemeint sagt, lass Dein Kind los, lass es gehen. Vielleicht fühlst Du Dich von Menschen in Deiner Umgebung nicht verstanden, wenn sie Dich drängen, Abschied zunehmen und Dich fragen „Hast Du es schon überwunden?“. Vielleicht bist Du auch wütend? Zurecht! Ich verstehe, dass Du Dein Kind nicht verlieren willst, nicht noch mal! Ich verstehe, dass Du Dein Kind bei Dir halten möchtest! Ihr habt so viele Momente miteinander geteilt. Als Mutter hast Du gespürt, wie sich das Baby in Dir bewegt hat, wie es Schluckauf hatte und gestrampelt hat. Als Papa hast Du beschützend Deine Hand auf den Bauch gelegt und das Kind durch die Bauchdecke gestreichelt. Ihr seid und bleibt eine Familie. Und Ihr dürft Euer Kind bei Euch halten.
Es ist nicht nötig, Dein Kind gehen zu lassen
Es gibt viele Menschen, die in ihrem Leben noch keinen so schmerzlichen und nahen Verlust erlebt haben. Auch wenn es in jedem Leben kleinere Verluste gibt, mit denen man umgehen lernt und die man loslässt, so sind diese nicht mit einem nahen Verlust und Schmerz zu vergleichen, den Eltern erleben, wenn ihr geliebtes Kind stirbt.
Ich will Dir sagen, Du brauchst Dein Kind nicht loszulassen. Du brauchst Dein Kind nicht gehen lassen. Du weißt, dass es gestorben ist und dass Dein Kind nicht körperlich da ist. Du weißt, dass Du es nicht mit den Händen berühren und greifen kannst. Das ist klar und nicht veränderlich und schlimm genug! Das ist eine Tatsache, die Du verstehen und akzeptieren musst.
Doch da ist noch ein ganz großes Geschenk, das ich Dir machen möchte. Natürlich bleibt die Beziehung, die Ihr mit Beginn der Schwangerschaft miteinander eingegangen seid, bestehen! Die Liebe ist nicht etwas, was Menschen beerdigen, wenn ein Kind stirbt. Die Liebe bleibt. Und auch die Beziehung zu Deinem Kind bleibt. Vielleicht kannst Du Dir noch nicht vorstellen, wie Du eine Beziehung zu Deinem verstorbenen Kind leben kannst. Wie kann eine Beziehung zu Deinem Sternenkind aussehen?
Verwandel die Beziehung und Liebe zu Deinem Kind
Du darfst festhalten. Du darfst die Liebe zu Deinem Kind leben, jeden Tag! Egal, wie kurz oder lang Dein Baby da war, Du hast eine Beziehung zu Deinem Kind aufgebaut, die Du auch nach dem Tod weiterleben darfst. Eine Art innere Beziehung zu Deinem Kind, in der Du die Liebe zu Deinem Kind nicht zurücknehmen sollst, sondern im Gegenteil, sie noch größer werden lassen kannst! Dein Kind bleibt mit all seinen Erinnerungen in Deinem Leben präsent und es bleibt für Euch als Eltern Euer geliebtes Kind. In der Trauer kann es nicht darum gehen, die Beziehung zu Deinem Kind zu beenden, sondern vielmehr die Beziehung zu Deinem Kind zu verändern. Trauer ist für diese Transformation wichtig. Vertraue Dir, Deiner Liebe und Deiner inneren Kraft. Der Weg der Trauer wird Dir zeigen, wie Du Deinem Kind in Liebe nah sein und bleiben kannst. Du wirst neue Formen des Liebens und der Beziehung zu Deinem Sternenkind finden und Dein Sternenkind, Dein Stern am Himmel, wird Dir den Weg dafür zeigen.